October 7th & 8th, 2011 at the International Festival of Contemporary Arts
City Of Women in Ljubljana, Slovenia
Performace Art
Kotoba Shibari
Vom Bauch aus verlaufen Hängeseile schnurstracks zu den GöttInnen. Eingeflochten zählen sie fünf und befinden sich innerhalb der Ringebene. Deko kollabiert, wenn sich Zehen bäumlinks in die Seile spreizen. Muster berstender Kapillaren zeichnen Zellen vierdimensional und rosig. Oder: Nebenher eine Arie zu singen gleicht vierschichtigen Suspensionen.
‘Futo Momo Zuri’ ist der Name der Figur, die zum Hängen taugt. Nicht zu fest, wegen des wallenden Qi’s und unordentlich, sonst bleibt es realistisch. Ein kastrierter Klingsor weiß, dass Schwindel nicht kopfunter gilt. Er zeichnet Blumenmädchen immerhin als Leute aus, auch wenn Mehrwissende nur Ähnliches behaupten. Knotenreduktion sollte also nicht bloß propagiert werden, sondern hier und da auch Verblassendes erfassen.
Läuft das Hauptseil gerade in die Krone, zählen eingebundene Haxen gleich etliche Knoten. Ihre Dichte in der Tiefe erreichend, bilden sie multidimensionale Netze, die außerhalb des Ringes niemanden mehr tangieren. Fasern mit geringerem Schlag erreichen diese Festigkeit nicht.
Und während in Tokyo zärtliches Gepräge sittet, befinden wir uns in London, 51° 30′ 33.8″ N, 0° 7′ 5.95″ W. Hier bedienen wir uns der Kunst, die nicht festschreibt, wer im Lande schnüren sollte. Auch nicht in visceraleren Momenten. Wider diesen Abbildungen müsste Kernigeres imaginiert werden, denn nicht bloß leichtbeschwerte Jute erhellt den Augenschein, im Gegenteil, am Ende steht immer noch aus, wer mensch in der Schwebe gewesen.
‘Mein Lesbisches Auge 10. Lesbisches Jahrbuch der Erotik’ Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke.
Ethische Anarchie von Martin Hinze
Verstrickt in der Sinnlichkeit – Im Brüsseler Opernhaus La Monnaie inszeniert Romeo Castellucci einen ParsifalRichard Wagners, der Elemente traditioneller Aufführungspraxis neben experimentelle wie eine Bondage-Choreographie stellt, und polarisiert so das Publikum. Ein Erfahrungsbericht von Martin Hinze.
Nach drei Fanfarenstößen schließen die Platzanweiser die Türen, alle Lichter erlöschen, selbst die Anzeigen der Sitzreihen in den Gängen. Absolute Finsternis und Stille, man sieht buchstäblich nicht mehr die Hand vor Augen.
Einen Moment wird man mit diesem Sinnesentzug allein gelassen, bis, einstimmig und sehr leise, Klänge von Streichern mit der Ouvertüre das Bühnenweihfestspiel eröffnen. Langsam wie ein Sonnenaufgang erhellen Scheinwerfer auf der Bühne den dichtesten Wald, der je auf einer Opernbühne zu sehen war – ein Wald »schattig und ernst, doch nicht düster«, wie es im Libretto heißt. Der halb hinter dichtem Laubwerk verborgene Gurnemanz, Hüter des heiligen Gralswaldes, singt Weckrufe für seine noch schlummernden Knappen. Der Zuschauer reibt sich wie sie die Augen. In dieser Idylle schwebt und windet sich hoch in den Wipfeln und ungesehen eine große weiße (und echte) Python, das Wappentier der Produktion.
Noch bevor die Hüter des heiligen Haines davon singen können, bezeugt die Präsenz der Schlange, dass sein paradiesischer Frieden bedroht ist. Die Entfesselung dunkler Triebe und erotischer Obsessionen lauern hinter dem Wald in der Feste des vom Gralszirkel verstoßenen Klingsor, der sich der Zauberei geweiht hat.
DIE DÄMONEN ERWACHEN
Wegen Wagners extremem Antisemitismus, wie er ihn z. B. 1869 in seiner Publikation Das Judenthum in der Musik formuliert, ist sein Werk seit dem Nationalsozialismus nur noch schwer zu genießen. Damit provoziert er bereits im 19. Jahrhundert Widerspruch. Vor allem aber ist es zu seiner Zeit die permanente und explizite Thematisierung erotischer Begierde, die ihn zu
einem problematischen Autor macht.In Wagner and the erotic Impulse zeigt Laurence Dreyfus, wie Wagner in der Tiefe der musikalischen Struktur eine Sprache sinnlicher Liebe entwickelt. Dreyfus dokumentiert die verstörten Reaktionen zeitgenössischer Hörer, wie etwa von Gustave Stoeckel, einem zukünftigen Professor für Musik. Der berichtet nach der Premiere der Walküre 1876 von einer »ethischen Anarchie« durch das gefährliche »Wecken schlafender Leidenschaften«:
All aesthetics, theory and morals, are chased out of one; one’s breath is bated and the beating of the heart seems to stand still, the whole soul bewitched by an irresistible power…. During the performance, all that is sensual in human nature is wrought up to its wildest activity by the alluringly tempting music 1.
Die Brüsseler Version des Parsifal aktualisiert jene Kontroverse. Die Opernwelt schien nach den inszenierten Massenvergewaltigungen des Regisseurs Calixto Bieito – viel später als das Theaterpublikum – kaum noch moralische Tabus zu kennen. Doch selbst an der um moderne Bilder bemühte Oper La Monnaie gelingt es dem Parsifal Castelluccis auf subtilere Weise für kleine Eklats zu sorgen. Welche Inszenierung kann Zuschauer schon noch derart erregen, dass sie nach der Vorstellung in der Kälte am Künstlerausgang warten, um die Darstellerinnen strittiger Rollen schreiend und derb zu beleidigen?
Anstoß genommen wird am 2. Akt, der nach dem mächtigen Wald des 1. Akts in einem klinisch sterilen weißen Raum spielt. Dort erwartet Klingsor Parsifal als mächtigsten Helden und letzten Gegner. Der Kampf wird nicht mit den Waffen von Rittern geführt, sondern mit erotischer Begierde. Klingsors Schar von feenhaft schönen, lasziven Blumenmädchen versucht, Parsifal zu verführen, so dass dieser seine Keuschheit zugunsten – um den Begriff des 19. Jahrhunderts zu gebrauchen – der Sinnlichkeit aufgibt. So ist es bereits verschiedenen Rittern des Grals und schließlich ihrem König Amfortas ergangen. Weiter lesen
London Festival of Japanese Rope Art 2010
Eine Kritik. Images by Patrick Siboni.