Parsifal

(Sadly) another project cancelled:
without the pandemic we would now be in Brussels for the ten year anniversary of Romeo Castellucci’s Parsifal, at De Munt/La Monnaie Opera. A mammut staging with  intricate mass scenes, the highest and greenest forrest in opera history and flying flowergirls in act II.
Reviving and choreographing ropes for such a special production, with a beloved bondage crew, would have been a fun challenge after ten years.

DE MUNT / LA MONNAIE

PARSIFAL Premiere: 27.01.2011
Direction musicale: Hartmut Haenchen
Mis en scne, Decor, DŽcors et Costumes / Kostuums, ƒclairages / Belichting: Romeo Castellucci
Video: Apparati Effimeri
Choreography: Cindy Van Acker
Shibari Art: Dasniya Sommer
Photo shows: To—mas T—omasson, Frances d’ Ath, Gala Moody, Dasniya Sommer

Kotoba Shibari

 

Vom Bauch aus verlaufen Hängeseile schnurstracks zu den GöttInnen. Eingeflochten zählen sie fünf und befinden sich innerhalb der Ringebene. Deko kollabiert, wenn sich Zehen bäumlinks in die Seile spreizen. Muster berstender Kapillaren zeichnen Zellen vierdimensional und rosig. Oder: Nebenher eine Arie zu singen gleicht vierschichtigen Suspensionen.

‘Futo Momo Zuri’ ist der Name der Figur, die zum Hängen taugt. Nicht zu fest,  wegen des wallenden Qi’s und unordentlich, sonst bleibt es realistisch. Ein kastrierter Klingsor weiß, dass Schwindel nicht kopfunter gilt. Er zeichnet  Blumenmädchen immerhin als Leute aus, auch wenn Mehrwissende nur Ähnliches behaupten. Knotenreduktion sollte also nicht bloß propagiert werden,  sondern hier und da auch Verblassendes erfassen.

Läuft das Hauptseil gerade in die Krone, zählen eingebundene  Haxen gleich etliche Knoten. Ihre Dichte in der Tiefe erreichend, bilden sie multidimensionale Netze, die außerhalb des Ringes niemanden mehr  tangieren. Fasern mit geringerem Schlag erreichen diese Festigkeit nicht.

Und während in Tokyo zärtliches Gepräge sittet, befinden wir uns in London, 51° 30′ 33.8″ N, 0° 7′ 5.95″ W. Hier bedienen wir uns der Kunst, die nicht  festschreibt, wer im Lande schnüren sollte. Auch nicht in visceraleren Momenten. Wider diesen Abbildungen müsste Kernigeres imaginiert werden, denn nicht bloß leichtbeschwerte Jute erhellt den Augenschein, im Gegenteil, am  Ende steht immer noch aus, wer mensch in der Schwebe gewesen.

‘Mein Lesbisches Auge 10. Lesbisches Jahrbuch der Erotik’ Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke.

Ethische Anarchie von Martin Hinze

Verstrickt in der Sinnlichkeit – Im Brüsseler Opernhaus La Monnaie inszeniert Romeo Castellucci einen ParsifalRichard Wagners, der Elemente traditioneller Aufführungspraxis neben experimentelle wie eine Bondage-Choreographie stellt, und polarisiert so das Publikum. Ein Erfahrungsbericht von Martin Hinze.

All aesthetics, theory and morals, are chased out of one; one’s breath is bated and the beating of the heart seems to stand still, the whole soul bewitched by an irresistible power…. During the performance, all that is sensual in human nature is wrought up to its wildest activity by the alluringly tempting music 1.

Die Brüsseler Version des Parsifal aktualisiert jene Kontroverse. Die Opernwelt schien nach den inszenierten Massenvergewaltigungen des Regisseurs Calixto Bieito – viel später als das Theaterpublikum – kaum noch moralische Tabus zu kennen. Doch selbst an der um moderne Bilder bemühte Oper La Monnaie gelingt es dem Parsifal Castelluccis auf subtilere Weise für kleine Eklats zu sorgen. Welche Inszenierung kann Zuschauer schon noch derart erregen, dass sie nach der Vorstellung in der Kälte am Künstlerausgang warten, um die Darstellerinnen strittiger Rollen schreiend und derb zu beleidigen?
Anstoß genommen wird am 2. Akt, der nach dem mächtigen Wald des 1. Akts in einem klinisch sterilen weißen Raum spielt. Dort erwartet Klingsor Parsifal als mächtigsten Helden und letzten Gegner. Der Kampf wird nicht mit den Waffen von Rittern geführt, sondern mit erotischer Begierde. Klingsors Schar von feenhaft schönen, lasziven Blumenmädchen versucht, Parsifal zu verführen, so dass dieser seine Keuschheit zugunsten – um den Begriff des 19. Jahrhunderts zu gebrauchen – der Sinnlichkeit aufgibt. So ist es bereits verschiedenen Rittern des Grals und schließlich ihrem König Amfortas ergangen. Weiter lesen